In der steirischen Gemeinde Stanz im Mürztal macht man sich seit vielen Jahren Gedanken über die Zukunft des Dorfes und blickt dabei über den Tellerrand. Mit der Gründung einer Energiegemeinschaft möchte man nun die Stromversorgung im Gemeindegebiet auf nachhaltige Beine stellen – ökologisch, wirtschaftlich und sozial.
2017 startete die Gemeinde einen Beteiligungsprozess zur Dorfentwicklung zu den Schwerpunkten Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit. Dabei lag der Fokus auf der Wiederbelebung des Ortszentrums, die Aktivierung der Zivilgesellschaft und die Schaffung von Möglichkeiten der Teilhabe auf kommunaler Ebene. Vertieft werden diese Ansätze im FFG-Forschungsprojekt Stanz+ und im Rahmen des EU-Programmes Smart Rural Areas. Im Februar wurde nun der Verein „EG – Stanzertal“ gegründet, der als Träger einer Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft (EEG) fungieren soll.
Aufbruch. „Wir erleben in Stanz derzeit eine riesige Aufbruchsstimmung“, erklärt Sven Aberle, Obmann der EG Stanzertal. „Es haben sich bereits 50 Haushalte gemeldet, die sich an der Energiegemeinschaft beteiligen wollen, und es werden sehr viele Energieberatungen zur Errichtung privater Photovoltaik- und Speicheranlagen durchgeführt.“ Parallel dazu laufen Erhebungen der Lastprofile bei diversen Verbrauchern. „Das Ziel ist, das Potenzial für Lastverschiebungen zu identifizieren“, erläutert Rainer Rosegger, der den Gründungsprozess mit seiner Agentur SCAN begleitet.
Bevor tatsächlich Strom innerhalb der EEG fließt, muss nun noch das Tarifmodell gestaltet werden. Auch ein Sozialtarif für einkommensschwache Haushalte steht zur Diskussion. Außerdem möchte man mithilfe digitaler Technologie ein System entwickeln, das nicht nur die Abrechnung der Energieflüsse, sondern auch das Lastmanagement weitgehend automatisiert. Erträge aus der EEG könnten zur Steigerung der lokalen Wertschöpfung auch in Form von „Energie-Token“ ausbezahlt werden. Diese würden – wie die bereits bestehenden Stanzer Gutscheine – als lokale Währung dienen und könnten zur Begleichung von Gemeindeabgaben oder bei Nahversorgern ausgegeben werden. Aktuell werden die technische und rechtliche Machbarkeit sowie die Akzeptanz für die Energie-Token überprüft.
Selbstversorgung. Die Vision hinter den aktuellen Aktivitäten lautet, die Energieversorgung innerhalb der Gemeinde von derzeit 30 auf 100 Prozent erneuerbare Energie umzustellen. Daher werden noch heuer 800 Quadratmeter Dachflächen von gemeindeeigenen Gebäude durch Bürgerbeteiligung mit PV-Anlagen ausgestattet und die Leistung eines Kleinwasserkraftwerks aus dem Jahr 1906 auf 80 kW vervierfacht. Außerdem errichten derzeit Privatpersonen im Rahmen der Energiegemeinschaft PV-Dachanlagen mit einer Gesamtleistung von 250 kWp.
Für die beiden bestehenden Nahwärmenetze mit 450 und 1.000 kW ist ein Zusammenschluss geplant. „Ein wichtiges Stichwort ist auch die Sektorenkopplung“, sagt Rosegger. „So könnten künftig Stromüberschüsse aus der EEG für die Nahwärmeversorgung verwendet und die Warmwasserversorgung im Sommer von Biomasse auf Sonnenstrom umgestellt werden.“ Ob auch die Nahwärmenetze selbst Teil der EEG werden, ist bislang noch offen.
„Das Um und Auf ist, bei der Energiegemeinschaft auch die Bevölkerung mitzunehmen“, meint Aberle. „Denn bei uns wird die Gemeinschaft ganz groß geschrieben.“